09.06.2021

Dieses Mal bin ich der Meinung, dass das vorliegende Gesetz ein massgebliches Problem hat, denn die Aussage lautete: «Bei neuen Gesetzen kann es nicht nur Gewinner geben». Kürzlich sind die Abstimmungsunterlagen für das Abstimmungswochenende vom 12.06.2021 in die Haushalte geflattert. Bereits bevor ich das Couvert öffnete, war mir bewusst, dass ich die Botschaft zum neuen Tourismusgesetz der Gemeinde Vaz/Obervaz in den Unterlagen vorfinden würde. Nicht, weil ich mich wahnsinnig gut informiert hätte, sondern weil der lokale Handels- und Gewerbeverein (HGV) prominent ein ganzseitiges Inserat in der Novitats gegen das neue Gesetz geschaltet hatte.

Dass neue Tourismusgesetze die Leserbriefseiten in den lokalen Zeitungen füllen, ist eigentlich nichts Neues. Ein solch prominentes «Contra-Inserat» eines lokalen HGV habe ich aber noch nie erlebt. Und immerhin habe ich in früheren Funktionen selber in drei verschiedenen Ferienregionen ein neues Tourismusgesetz eingeführt.

Schwierig wird nun die Einschätzung zum neuen Tourismusgesetz, wenn man sich die Leserbriefe der letzten Woche in der Novitats zu Gemüte führt. Klammert man diejenigen Leserbriefe aus, die sich in der Tonalität vergriffen haben, fällt auf, dass die Hotellerie und sogar die Landwirtschaft das neue Gesetz befürworten. Was gilt nun bzw. wem kann mehr Glauben geschenkt werden? In Zeiten von Fake News ist dies sogar in kleinen Randregionen nicht immer ganz einfach …

Eines vorweg: Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die lokalen Gewerbetreibenden, Handelsbetriebe, Hotels, Beherberger und Ferienwohnungsbesitzer durchaus eine höhere Steuer bezahlen können (bei der Tourismusförderungsabgabe und der Kurtaxe handelt es sich übrigens effektiv um eine Steuer und nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, um eine Gebühr oder Ähnliches). Denn wir leben bzw. verbringen unsere Freizeit in einer Region, die einen der grössten Freizeit- und Erholungswerte in der ganzen Schweiz hat. Dies auch, weil wir entweder sehr gut vom Tourismus leben oder zumindest davon profitieren.

Aber dieses Mal bin ich der Meinung, dass das vorliegende Gesetz ein massgebliches Problem hat. Dieses Problem lässt sich anhand eines O-Tons im Rahmen der digitalen Informationsveranstaltung gut erkennen. Die Aussage lautete: «Bei neuen Gesetzen kann es nicht nur Gewinner geben». Und genau hier sehe ich das Problem des neuen Gesetzes: Bei neuen Gesetzen geht es nicht darum, Gewinner oder Verlierer zu kreieren. Es geht ganz einfach darum, den Hauptmotor unserer Wirtschaft mit genügend Mitteln zu versorgen, damit er die Prosperität unserer Region auch in Zukunft sicherstellt. Und vor allem geht es um Eines: Darum, ein massvolles und verhältnismässiges Gesetz einzuführen.

Dass die zwei grössten «Zahlgruppen», nämlich die Hotels und das Gewerbe, gegenseitige Meinungen zum neuen Gesetzesentwurf haben, ist in einer einfachen Begründung zu suchen: Die Hotels zahlen plakativ gesagt weniger und das Gewerbe mehr. Darum entstehen diese unterschiedlichen Auffassungen, obwohl alle beide hauptsächlich – wenn nicht sogar ausschliesslich – von einer gut funktionierenden Tourismusdestination leben.

Trotz allem Wohlwollen gegenüber einer Anpassung und Erhöhung des Gesetzes, merke ich dieses Mal einen gewissen Widerstand, ein JA in die Urne zu legen. Vor allem drei Punkte empfinde ich als störend.

1. Mein erster Lehrmeister hat mir gebetsmühlenartig eingetrichtert, dass man im Geschäftsleben «zuerst liefern und dann lafern» soll. Die Gemeinde verfasst eine 15-seitige Botschaft, in der relativ ausführlich aufgelistet wird, weshalb die Kosten zunehmen und wieso eine Steuererhöhung unumgänglich sei. Aber man findet kein einziges Wort, wie die Gemeinde oder die Tourismusorganisation etwas dazu beitragen könnten, diese Kosten zu senken. Meiner Meinung nach hätte es den Gemeindebehörden und der LMS AG gut angestanden, aufzuzeigen, wie sie direkt und durch eigene Massnahmen mithelfen, die Kostensituation in den Griff zu bekommen.


2. Es kann nicht sein, dass ein Gesetz eingeführt wird, bei dem bereits vor der Einführung von «Gewinnern und Verlierern» die Rede ist. Ich möchte über Gesetze abstimmen, bei denen Schlagwörter wie sinnvoll, verhältnismässig und Solidarität im Zentrum stehen.


3. Aufgrund meiner früheren Tätigkeiten als Tourismusdirektor beurteile ich die Tourismusgesetze auch oft aus Sicht der Praktikabilität. Den vorliegenden Entwurf des neuen Tourismusgesetzes empfinde ich inhaltlich/technisch als ziemlich umständlich und mit gewissen fehlenden Präzisierungen.


Ich habe beim Ausfüllen der Abstimmungsunterlagen lange überlegt, ob ich ein Ja oder ein Nein in die Urne legen soll. Dies insbesondere, weil ich wirklich überzeugt bin, dass das bisherige Tourismusgesetz veraltet und die Ansätze zu tief sind. Auch dachte ich mir, dass es nicht sein kann, dass ich die Hand beisse, die mich füttert. Sprich, dass aufgrund fehlender Mittel die Dynamik und Entwicklung der Ferienregion Lenzerheide gebremst wird. Dies würde uns allen – den Ortsansässigen und Ferienwohnungsbesitzern – nur schaden.

Und doch habe ich aufgrund der vorgenannten Gründe ein Nein eingeworfen. Trotz aller Abhängigkeiten muss man manchmal auch aus Überzeugung handeln. Ich bin gespannt, wie die Stimmbürger entscheiden werden. Und in gut Schweizerischer Tradition wird es dann unabhängig des Ergebnisses so sein, dass man das Resultat akzeptiert und damit lebt. 

 

Ihr Manfred Fiegl