11.11.2021

Mit solch offensiven oder ähnlichen Werbeslogans starten digitale Makler aktuell eine Werbeoffensive auf fast allen Social-Media-Kanälen. Zumindest aufgrund meines Suchverhaltens erhalte ich im Internet und auf den verschiedensten Kanälen im Minutentakt Werbebanner von «digitalen Maklern» angezeigt, die ihre Dienstleistungen zu unglaublichen Festpreisen anbieten. Auch schalten Neho, Brixel und Konsorten zu bester Sendezeit zwischen der Tagesschau und Meteo Werbespots. Die digitale Revolution auf dem Maklermarkt ist in vollem Gange.

Grundsätzlich faszinieren mich solch disruptive Technologien und Innovationen. Entschuldigen Sie das Fremdwort, aber ich finde es ein spannendes Wort und aktuell im Zusammenhang mit der Digitalisierung allgegenwärtig. Disruptiv bedeutet, dass die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie, eines bestehenden Produktes oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzt oder diese vollständig vom Markt verdrängt wird (Zitat: Fraunhofer-Institut).

Können Sie sich noch an die Compact Disc (CD) erinnern? Es war ein Quantensprung, als sie Ende der 80er-Jahre die Musikkassette ablöste und Ende der 90er-Jahre war sie der meistgenutzte Audioträger. Wer hätte gedacht, dass sie nur rund 20 Jahre später schon fast Geschichte ist und Audio heute praktisch nur noch gestreamt wird.

Nun aber zurück zum Punkt. Aufgrund der immer stärker werdenden Präsenz der digitalen Makler habe ich mich gefragt, welches die Auswirkungen auf unseren Geschäftsbereich «Immobilien-verkauf» sein werden, und vor allem innerhalb welches Zeithorizontes. Grundsätzlich erscheinen die Angebote der digitalen Makler wie aus einem Land, in dem Honig und Milch fliessen. Eine Dienstleistung aus einer Hand zum Bruchteil des Preises, den herkömmliche Makler für ihre Dienstleistung verlangen. Als Beispiel: Einer der grösseren digitalen Makler bietet eine aus seiner Sicht umfassende Dienstleistung zum Festpreis von CHF 9'900.00 an. Unabhängig davon, was der Verkaufspreis der Liegenschaft ist. Also «guat Nacht am Zwölfi», wie wir Bündner sagen. Oder für Nichtschweizer: Baldiges Lichterlöschen für den herkömmlichen Makler?

Es ist tatsächlich so, dass wir die ersten Auswirkungen der Marktoffensive der digitalen Makler spüren. Einerseits haben die Anfragen von Verkäufern zugenommen, die lediglich jemanden zur Preisbestimmung und zur Erstellung des Verkaufsdossiers suchen. Den restlichen Verkaufsprozess wollen diese Verkäufer selbst erledigen. Noch selten zuvor hat man auf den einschlägigen Verkaufsplattformen so viele Privatverkäufer gefunden, wie gerade aktuell.

Andererseits stellen wir auch fest, dass die digitalen Makler einen Verkaufsprozess sehr oft ausschliesslich auf den Prozess der Vermarktung reduzieren und dafür einen festen Preis anbieten. Die Durchführung von Besichtigungen, Vertragswesen, Zahlungsabwicklung, Räumung und Reinigung sowie die Abrechnung der Grundstückgewinnsteuer sind in diesen Pauschalen oft nicht inkludiert. Auf den ersten Blick sind die Festpreise extrem attraktiv, nur vergleicht man oft bei den Angeboten von digitalen Maklern mit der Dienstleistung von herkömmlichen Maklern bezüglich Umfang Äpfel mit Birnen. Die Frage stellt sich natürlich, ob dieser Umfang an Dienstleistungen von Kunden überhaupt gewünscht ist. Aber das ist eine andere Frage (vielleicht für einen anderen Blog zu einem späteren Zeitpunkt).

Dass ein herkömmlicher Makler einen Verkaufsprozess von A bis Z professionell begleitet, darf erwartet werden. Auch glaube ich, dass der «digitale Makler» im Bereich der reinen Vermarktung (Dossier erstellen und Kommunikation auf Verkaufsplattformen) inhaltlich mindestens gleich gut, wenn nicht sogar leicht besser ist als der herkömmliche Makler. Dies aller Voraussicht nach aufgrund der standardisierten Prozesse sicherlich auch günstiger. Ich glaube aber auch, dass Ferienimmobilien nicht als Standardprodukt bezeichnet werden können. Es handelt sich um ein höchst emotionales und individualisiertes Produkt. Ich nehme an, dass es hier auch der Wunsch insbesondere von Käufern ist, individuell und mit ortspezifischer Sachkunde begleitet zu werden.

Wir werden uns als herkömmlicher Makler bewegen müssen. Sei dies, in dem auch wir unsere Dienstleistungen als Packages verkaufen (z.B. nur Vermarktung, nur Besichtigungen oder nur Vertragsabwicklung) und auch wir uns andere Preismodelle überlegen müssen.

Es gibt aber einen Punkt, bei dem ich mir 120%ig sicher bin, dass der herkömmliche, ortskundige Makler besser ist und es auch immer bleiben wird. Nämlich bei der Festlegung eines marktgerechten Preises. Da der digitale Makler seine Dienstleistung zu diesen tiefen Preisen nur anbieten kann, so lange der Prozess nach Möglichkeit von A bis Z standardisiert ist, erfolgen auch die Preisfestlegungen mehrheitlich basierend auf standardisierten Benchmark-Tools. Wie bereits in einem früheren Blog erklärt, verfügen diese Benchmark-Tools gerade in Berggebieten aufgrund der geringen Transaktionsmenge über zu wenige Stichproben und sind meistens gegenüber der effektiven Preisentwicklung vor Ort zeitlich nicht aktuell. So besteht die Gefahr, dass Sie Ihre Immobilie in Valbella heute zum Preis einer Immobilie in Clavadoiras vor einem Jahr verkaufen oder die Wohnung in Savognin zum Preis einer Wohnung in Tinizong.

Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Beispiel: Vor rund einem Monat kam ein Kunde zu mir, der seine Immobilie verkaufen wollte. Im Laufe des Gespräches habe ich bemerkt, dass er von mir eigentlich nur einen möglichen Verkaufspreis wissen wollte, um die Immobilie dann über einen digitalen Makler zu verkaufen. Ich habe den Kunden aktiv darauf angesprochen und er hat mir sein angedachtes Vorgehen bestätigt. Ich habe ihm das Angebot gemacht, dass ich ihm einen möglichen Marktpreis nennen würde, wenn er mir die Preisempfehlung des digitalen Maklers offenlegen würde. Der Kunde hat dies getan. Nach der Nennung der Preisempfehlung des digitalen Maklers war ich mir sicher, dass ich die Immobilie zu einem 30%ig höheren Preis verkaufen könnte. Ich habe dem Kunden angeboten, dass falls ich die Immobilie nur zum Preis des digitalen Maklers verkaufen könnte, ich dies zum gleichen Preis wie der digitale Makler machen würde. Einfach mit dem Unterschied, dass die Durchführung der Besichtigung und die Deklaration der Grundstückgewinnsteuer im Preis inbegriffen seien. Würde ich die Immobilie aber mindestens 30% über dem empfohlenen Verkaufspreis des digitalen Maklers verkaufen, würde ich die übliche Maklerprovision von 3% auf dem Gesamtpreis verrechnen. Glücklicherweise handelte es sich um einen geduldigen und verständnisvollen Kunden.

Lange Rede kurzer Sinn: Wir durften mit dem Verkäufer einen Maklervertrag unterschreiben und heute, einen Monat später, haben wir die Immobilie 40% über der Verkaufspreisempfehlung des digitalen Maklers verkauft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Offensive der digitalen Makler Schwung und Bewegung in die Branche bringt. Und das ist auch gut so. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass ein Verkäufer – zumindest vorläufig – in der Nettobetrachtung (höherer Verkaufserlös im Verhältnis zu höherer Maklerprovision) mit einem ortskundigen Makler noch immer am besten fährt. Es gilt jedoch die weitere Entwicklung genau zu beobachten, damit es uns eines Tages nicht gleich geht wie der CD.