19.07.2022

Im vergangenen Frühjahr fanden die Regierungs- und Grossratswahlen im Kanton Graubünden statt – wie so üblich begleitet von Podiumsdiskussionen der Parteien aller Couleur und zu allen möglichen und unmöglichen Themen. Die Inhalte waren meist vielschichtig, trotzdem hat kein Thema es geschafft, eine eigene Diskussionsreihe zu bekommen. Ausser – Sie vermuten es bereits – dasjenige der Zweitwohnungen. Dies zeigt meiner Meinung nach seine Bedeutung für unseren Bergkanton auf.

Was ich bis heute noch immer nicht so recht auseinanderhalten kann, ist die Wahlkampfzeit und das Balzverhalten unserer Politikfauna. Jedenfalls schilderten viele Kandidatinnen und Kandidaten mit breiter Brust in den buntesten Farben, wie sie auf die Zweitwohnungsproblematik reagieren würden – falls man sie denn wählt, notabene. Dieser Zusatz war fast in jedem zweiten Satz zu hören. Es gab aber auch jene Politiker, die beim Balzen um Wählerstimmen nicht punkten konnten. Ihre Federn oder vielmehr ihre Ideen waren nicht prächtig genug. Sie hatten kein Allheilmittel, um das Problem zu lösen und waren zuweilen fast ein wenig ratlos. Mir selbst ist es aber lieber, jemand ist ratlos, als dass er auf Teufel komm raus irgendwelche fantastischen Ideen in die Welt setzt, die auch noch fahrlässig aufgenommen werden.

Vor allem bei Themen rund um Immobilien ist diese Gefahr gross. Da der grössere Teil der Schweizer mietet und nicht besitzt, hat dieser selbstverständlich kein Problem damit, wenn dem «reichen Immobilienbesitzer» etwas weggenommen wird. Zum Beispiel indem man Land aufgrund des Raumplanungsgesetzes einfach auszont und dem Eigentümer einen finanziellen Totalverlust beschert. Momentan wird von Politikern und im Engadin ernsthaft diskutiert, eine dauerbewohnte Wohnung einfach als Erstwohnung zu deklarieren, und zwar unabhängig davon, ob die Immobilie vor 2012 erstellt wurde oder nicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Politiker und Nichtimmobilienbesitzer sich wirklich im Klaren sind, welche fatalen Folgen eine solche Massnahme hätte.

Es ist dies aber nicht die einzige fragwürdige Idee. Ein weiterer Einfall, der an den Podiumsdiskussionen besprochen wurde, ist eine stärkere und ausgeweitete Besteuerung der Zweitwohnungen. Interessant an dieser Idee finde ich, dass das Zweitwohnungsgesetz eine Regulierung ist, mit der versprochen wurde, die Zersiedelung zu stoppen und bezahlbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen. Wie wir heute wissen, ist die Initiative mit ihren Versprechungen krachend gescheitert. Nun versucht man, diesen Fehlschlag durch eine noch sinnlosere Regulierung zu korrigieren.

Die Vorschläge unserer politischen Eliten kommen mir so vor wie Medikamente, die mir nicht gegen meine Magenschmerzen helfen, dafür aber einen Ausschlag auslösen. Die Politiker-Lösung dafür ist, das Medikament weiter zu schlucken, mir aber ein zusätzliches gegen den Ausschlag zu verschreiben. Es kann zwar sein, dass ich dann noch etwas für die Nieren brauche, aber das ist alles halb so schlimm. Entschuldigen Sie bitte, ich bin heute ein wenig zynisch.

Was ich damit sagen will: Die einzige Lösung dem Zweitwohnungsproblem Herr zu werden und der Abwanderung der lokalen Bevölkerung mangels bezahlbaren Wohnraums entgegenzuwirken, ist die Abschaffung des Zweitwohnungsgesetzes. Natürlich würde dies allein auch nicht helfen. Es braucht auch eine Korrektur des Raumplanungsgesetzes und es braucht eine einfache Massnahme zur Stärkung der Erstwohnungen.

Der bisher sinnvollste Vorschlag, den ich gesehen habe, ist meiner Meinung nach die Zulassung des Zweitwohnungsbaus unter der Auflage, dass pro gebaute Zweitwohnung gleichzeitig zwei neue Erstwohnungen erstellt werden müssen. Aus meiner Sicht würde dies dazu führen, dass das Angebot an Erstwohnungen wächst und somit den Preisanstieg dämpft. Andererseits könnten Bauherren über den Zweitwohnungsbau doch eine angemessene Rendite für ihr Investment realisieren.

Ich hoffe sehr, dass sich die gewählten Politikerinnen und Politiker in ihren neuen Funktionen eingelebt haben und nun mit Hochdruck an einer Lösung für das Zweitwohnungsproblem in unseren Berggebieten arbeiten.

Ihr MJF